Marketing 2026

Echtheit als Stilmittel und wie Marken wieder glaubwürdig werden

Drei Artikel. Drei Gedanken. Und eine Sache, die alles zusammenführt: Der Begriff der Authentizität im digitalen Selbst. Was bedeutet das für uns im MArketing letztlich?
Neon-Text auf Schwarz: "Marketing trägt Verantwortung" mit einem kleinen Herz und Gitterlinien.

Simulation: Authentizität!

Wenn es ein Wort gibt, das Social Media stärker geprägt hat als jedes andere, dann ist es „Authentizität“: Sei echt! Zeig dich verletzlich! Zeig dich ungefiltert! Zeig dich, wie du bist!
Doch irgendwann merkt man vielleicht: Nichts davon ist mehr echt. Zumindest nicht im ursprünglichen Sinne. Spätestens nach den ersten drei Artikeln dieser Serie über Trends, Effizienz und Creator-Erschöpfung wird mir klar, dass Authentizität heute weniger ein Wert ist als ein Werkzeug. Ein Produktionsstil. Eine Methode. Eine Strategie. Und genau hier beginnt das Paradox.

Wenn „Echtsein“ zur Inszenierung wird

Echtheit ist kein Format. Echtheit ist kein Mood. Echtheit ist kein KPI. Doch Social Media hat Echtheit in eine Form gepresst, die verwaltbar, planbar und bewertbar ist. Das Ergebnis? Eine merkwürdige, künstliche Natürlichkeit.
Makellos unperfekt. Durchdacht spontan. Strategisch verletzlich. Creator sprechen über Burnout, aber im perfekten Licht. Marken sprechen über Nähe, aber durch drei Freigabeschleifen. Unternehmen zeigen Menschen, aber nur in optimierter Realness. Es ist das moderne Äquivalent eines einstudierten Lachens. Und trotzdem fällt es uns leicht, es für echt zu halten. Eine kollektive Selbsttäuschung, die wirkt, weil wir sie wollen.
Wie Marken Authentizität verloren haben
Früher war Authentizität das Nebenprodukt einer Haltung. Heute ist es ein Designparameter. Wir haben gelernt, dass Nutzer auf Persönliches reagieren, auf Ecken und Kanten, auf „Wir zeigen uns, wie wir sind“. Doch wir haben vergessen: Echtheit ist kein Stil. Echtheit ist ein Risiko. Und genau dieses Risiko vermeiden viele Marken konsequent. Verständnlich, aber eben nicht authentisch.
Stattdessen begegnet uns:
  • „ehrliche“ Behind-the-Scenes-Videos, die bis zur Perfektion geplant sind
  • Mitarbeiter-Stories, die klingen wie Pressemitteilungen
  • Social-Posts, die genau das Level an Persönlichkeit zeigen, das sicher ist.
Und das Problem ist nicht, dass es inszeniert ist. Das eigentliche Problem liegt darin, dass es vorgibt, es wäre nicht inszeniert.
Die psychologische Wirkung: Eine Welt voller Simulationen
Die Folgen sind subtil. Uund genau deshalb gefährlich. Je mehr simulierte Authentizität wir sehen, desto mehr verändert sich unser Maßstab: Echte Emotionen wirken plötzlich „zu roh“. Echte Fehler wirken „zu unprofessionell“. Echte Menschen wirken „zu unberechenbar“.
Die Generation, die damit aufwächst, lernt schnell: Echtheit ist erlaubt, solange sie perfekt kontrolliert ist. Damit wird Authentizität nicht nur zur Illusion, sondern zum Leitbegriff unserer digitalen Kultur. Ein Artefakt, das uns vorgaukelt, dass Nähe möglich ist, ohne verletzlich zu sein. Doch so funktioniert Nähe nicht. Und so funktioniert Identität schon gar nicht.
Der Ausweg: Authentizität braucht Haltung. Nicht Ästhetik
Ich glaube nicht, dass wir „ehrlicher“ werden müssen. Oder „nahbarer“. Oder „mutiger“ im Social Media Sinne. Ich glaube, Marken müssen wieder klarer werden. Klar in Haltung und klar in Werten. Klar in Entscheidungen. Klar in dem, wozu sie stehen und wozu eben nicht. Denn echte Authentizität entsteht nicht, wenn man Unperfektes ästhetisiert, sondern wenn man Unbequemes nicht versteckt. Das ist der Unterschied: Authentizität ist keine Frage des Contents. Sondern der Konsequenz.
Das schreibt sich natürlich leicht, der Weg dahin bedeutet aber Verantwortung zu tragen. Und das kann manchmal auch ungemütlich und belastend sein. Als Teil und wesentlicher Einfluss einer kapitalistischen Gesellschaft, die soziologischen Einfluss haben, ist dies umso wichtiger.
Neon-grüner Text "MARKETING TRÄGT VERANTWORTUNG" auf schwarzem Hintergrund mit feinem Gittermuster und Herzsymbol.
Marketing! I know!
Echtheit kann man nicht produzieren. Man muss sie leben. Wir müssen zurück zu einem Marketing, das nicht nur wirkt, sondern wahr ist. Wahr im Sinn von konsistent, klar, nachvollziehbar, menschlich und sogar verletzlich, wenn es nötig ist. Aber vor allem unnachgiebig, wenn es richtig ist. Eine Marke kann vieles sein. Aber sie darf nie so tun, als wäre sie jemand anderes.
ArtikelSerie: Marketing 2026
Verliert das moderne Marketing die Seele?
Droht das Marketing zu einem reinen Effizienzspiel zu werden? Diktieren Algorithmen Tempo, ersetzen Trends Denken und wird scheinbare Authentizität zum Produktionsstil? Was bleibt übrig, wenn wir Wirkung mit Output verwechseln? Im Leitartikel der neuen Serie zeige ich, warum Marketing mehr ist als Zahlen, Frequenzen und Formate. Und weshalb wir gerade jetzt lernen müssen, wieder zwischen Mechanik und Bedeutung zu unterscheiden.
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Der "Virtuelle Gedanken" Podcast auf Youtube
Lassen Sie mich mit Ihnen meine virtuellen Gedanken teilen. Auf meinem YouTube-Channel, in dem ich über Marketing und Technologie spreche.