Marketing 2026

Der Effizienzmythos im Marketing

Warum wir den Marketingbegriff verlieren, wenn alles zur Kennzahl wird – eine persönliche Analyse
3D-Text "EFFIZIENZ... WHAT?!" in Neongrün mit Diagrammen und Prozentzeichen auf dunklem Gitterhintergrund.

Was bedeutet Effizienz im Marketing?

Es gibt Tage, an denen ich meinen eigenen Arbeitsalltag betrachte und mich frage, ob wir als Branche eigentlich noch wissen, was Marketing bedeutet. Wir analysieren Dashboards, optimieren Formate, erhöhen Frequenzen. Wir sprechen über KPIs, Testzyklen und Conversion Rates, als wären sie die Essenz unserer Disziplin. Aber während ich das tue, merke ich: Irgendwo auf diesem Weg haben wir scheinbar unsere Orientierung verloren. Langsam, aber deutlich. Wir haben begonnen, Effizienz mit Wirkung zu verwechseln.

Effizienz als Ersatz für Bedeutung

Ich habe nichts gegen Effizienz. Sie ist notwendig, gerade in Unternehmen mit begrenzten Ressourcen und hohen Erwartungen. Denn Effizienz kann auch Wirtschaftlichkeit bedeuten und Wirtschaftlichkeit ist die Existenzberechtigung der meisten Unternehmen.
Aber Effizienz ist auch "nur" ein Werkzeug. Keine Identität. Und schon gar kein Ersatz für die Frage nach der Bedeutung einer Marke. Dennoch erlebe ich immer häufiger Situationen, in denen Effizienz zur Hauptlogik wird: Wir optimieren schneller, als wir denken. Wir testen häufiger, als wir verstehen. Wir produzieren mehr, als wir begründen. Wenn Effizienz der Leitgedanke ist, entsteht der Eindruck, dass Marketing vor allem eines sein soll: berechenbar. Das ist nachvollziehbar... aber grundlegend falsch. Denn Effizienz denkt in Wiederholung. Marketing denkt in Bedeutung.
Die Gefahr der Mechanik
In vielen Kampagnen sehe ich denselben Reflex: Man erhöht die Taktung. Man startet AB-Tests. Man justiert die Ads. Man rennt Zahlen hinterher, die man möglicherweise zu selten hinterfragt. Nicht, weil man es will. Sondern weil die Struktur einen dazu drängt. Doch wenn Mechanik die Idee ersetzt, verliert Marketing seine Tiefe.
Man spürt das in Kampagnen, die korrekt, aber leer wirken. Bestes Beispiel ist die aktuelle KI-generierte Weihnachtskampagne von Coca Cola: Sichtbar, aber nicht berührend. Reichweitenstark, aber emotional nicht empfänglich. Produktiv, aber orientierungslos.
Effizienz kann viel. Aber sie kann keine Haltung erzeugen
Wenn Marken eindimensional werden
Ich sehe es regelmäßig: Marken, die nur auf Performance setzen, werden austauschbar. Sie verlieren ihren emotionalen Kern, weil alles, was nicht messbar ist, als optional gilt. Sie reagieren, statt zu führen. Sie verfolgen Trends, statt Bedeutung zu schaffen.
Und das Paradoxe daran: Je mehr wir optimieren, desto weniger spürbar werden wir. Effizienz verkürzt Zeiträume. Bedeutung erweitert sie. Genau deshalb ist Markenführung immer langfristig und Performance immer kurzfristig.
Der Krisenreflex bei wirtschaftlicher Unsicherheit
Dieser Reflex verstärkt sich in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten. Unternehmen greifen instinktiv zu dem, was Sicherheit verspricht: Mehr Performance! Mehr Messbarkeit! Mehr Frequenz! Und letztlich die vermeintliche "Effizienz!"
Ich kenne diesen Druck. Ich spüre ihn jeden Tag selbst. Doch während Unternehmen nach Kontrolle suchen, suchen Konsumenten nach Orientierung. Während wir auf Performance setzen, brauchen Menschen Haltung. Während wir schneller werden, sehnen sich Kunden nach Stabilität.
In Krisenzeiten ist der emotionale Anker einer Marke nicht Luxus. Er ist ein Überlebensfaktor. Wenn alles wankt, wirkt das stabil, was nicht austauschbar ist. Deshalb ist es gerade in unsicheren Zeiten gefährlich, Markenführung zugunsten von Effizienz zu vernachlässigen. Und -ja- Performance gibt Tempo. Aber Marke gibt im besten Fall Richtung. Und wer nur das eine verstärkt, verliert zwangsläufig das andere.
Der persönliche Konflikt
Oft sitze ich selbst zwischen beiden Welten: dem Bedürfnis nach messbaren Ergebnissen und dem Wissen, dass Wirkung selten dort entsteht, wo sie sofort sichtbar ist. Mein Kopf versteht die Logik der Effizienz.
Aber mein Bauch weiß, dass Markenführung nicht beschleunigt werden kann. Und meine Erfahrung wiederum zeigt mir, dass keine KPI der Welt die Frage ersetzen kann: Wofür steht eine Marke eigentlich?
Vielleicht ist dieser innere Konflikt die ehrlichste Erkenntnis des Artikels: Marketing braucht Effizienz! Aber Effizienz braucht auch Bedeutung.
Effizienz einordnen, nicht ersetzen
Wir müssen Effizienz nicht kritisieren. Wir müssen sie nur richtig verorten. Und das als Verstärker, nicht als Ersatz. Wir müssen die Effizienz als Werkzeug sehen, nicht als Strategie. Marketing braucht zwei Seiten eines Systems:
  • Effizienz, um Ressourcen sinnvoll zu nutzen
  • Bedeutung, um Marken relevant zu halten
Doch Bedeutung muss führen. Immer! Denn Menschen erinnern sich nicht an Frequenzen, Testvarianten oder CTRs. Sie erinnern sich an Haltung. An Vertrauen. An Geschichten, die bleiben. Denn sind wir ehrlich: Erst Bedeutung schafft das, was Effizienz überhaupt verstärken kann.
Neon-Schriftzug "EFFIZIENZ... WHAT?!" auf dunklem Gitterboden, umgeben von leuchtenden Diagrammen und Prozentzeichen.
Effizienz? Ja! Haltung? Doppelt Ja!
Effizienz macht Marketing schneller, aber nicht besser. Erst Bedeutung schafft die Grundlage, die Performance überhaupt verstärken kann. In Zeiten, in denen Unsicherheit wächst, brauchen Marken deshalb mehr Haltung, nicht mehr Taktung. Effizienz darf folgen, aber nicht führen.
ArtikelSerie: Marketing 2026
Verliert das moderne Marketing die Seele?
Droht das Marketing zu einem reinen Effizienzspiel zu werden? Diktieren Algorithmen Tempo, ersetzen Trends Denken und wird scheinbare Authentizität zum Produktionsstil? Was bleibt übrig, wenn wir Wirkung mit Output verwechseln? Im Leitartikel der neuen Serie zeige ich, warum Marketing mehr ist als Zahlen, Frequenzen und Formate. Und weshalb wir gerade jetzt lernen müssen, wieder zwischen Mechanik und Bedeutung zu unterscheiden.
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