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Woher kommen plötzlich all die KI Experten?
Der Markt wird gerade von Menschen überschwemmt, die sich selbst zu KI Experten erklären, aber nur einen kleinen Teil der Technologie verstehen. Im Artikel ordne ich ein, weshalb dieser Hype problematisch ist, warum generative KI oft falsch verkauft wird und wieso echte Fähigkeiten wichtiger bleiben als schnelle Versprechen.
Silhouetten von Rednern an Pulten, einer hat ein leuchtendes Gehirn und spricht.
Warum plötzlich alle KI Experten sind und warum das ein Problem ist
Bevor ich beginne, eine Klarstellung. Ich bin kein KI Forscher. Ich bin kein Informatiker. Ich bin kein maschineller Denker. Ich bin ein Nutzer. Ein Rezipient. Einer, der generative KI täglich einsetzt, aber nur an der Oberfläche dessen kratzt, was KI in ihrer vollen Breite bedeutet.
Ich schreibe diesen Text nicht als Wissenschaftler, sondern als Marketeer, der beobachtet, wie sich ein Hype entwickelt und wie schnell daraus ein Markt voller selbsternannter Experten entsteht. Und genau darin liegt das Problem.
Der Hype erzeugt Experten aus dem Nichts. Wir erleben gerade eine Dynamik, die sich erstaunlich vertraut anfühlt. Als die SEO Ära begann, wuchsen plötzlich SEO Agenturen wie Unkraut aus den Ritzen des Internets. Keywordlisten wurden zum Geschäftsmodell. Man versprach, Google überlisten zu können. Und viele Kunden glaubten das, weil sie die Mechanik dahinter nicht verstanden.
Heute passiert dasselbe wieder. Nur heißt das Wundermittel jetzt Prompt. Überall erklären Menschen, wie man angeblich die perfekten Prompts schreibt, wie man KI noch effizienter nutzt und wie man damit das Marketing revolutioniert. Die Muster sind identisch. Wenig Inhalt. Viel, viel Selbstbewusstsein. Und eine radikale Vereinfachung eines Themas, das eigentlich komplexer ist als alles, was Marketing bisher gesehen hat.
Der Begriff KI wird gefährlich verkürzt
Viele dieser neuen Experten sprechen über KI, meinen aber ausschließlich generative KI. Texte. Bilder. Videos. Musik. Die bunten, lauten, sichtbaren Anwendungen. Doch KI ist viel mehr. Sie umfasst Spracherkennung, Musteranalyse, medizinische Diagnostik, industrielle Optimierung, autonome Systeme, Logistiksteuerung und vieles, das unser gesellschaftliches Leben in einem Ausmaß verändert, das weit über Marketing hinausgeht. Wer generative KI als „die KI“ verkauft, zeigt vor allem eines. Ein sehr begrenztes Verständnis.
Ein komplexes Thema erzeugt automatisch Unsicherheit. Unsicherheit erzeugt Beratungsbedarf. Beratungsbedarf erschafft Menschen, die genau diese Unsicherheit bedienen. Doch statt echte Orientierung zu geben, liefern viele Anbieter nur das, was leicht verdaulich ist. Prompts. Tricks. Formeln. Eine Art modisches Halbwissen, das gut klingt, aber selten tragfähig ist. Gerade im Marketing funktioniert dieses Spiel besonders gut. Weil Geschwindigkeit und Output gerne mit Kompetenz verwechselt werden.
Das eigentliche Problem: Talent wird unterschätzt
Generative KI kann viele Dinge. Doch sie kann nur verstärken, was bereits vorhanden ist. Schwache Ideen bleiben schwach. Unklare Sprache bleibt unklar. Fehlende Phantasie bleibt ein kreatives Vakuum. Das Schreiben ist nicht verschwunden. Das Denken ist nicht verschwunden. Die Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen, Emotionen zu erzeugen und Marken zu führen, ist nicht verschwunden. Sie wird nur gerade leiser. Weil viele glauben, dass die Maschine Arbeit abnimmt, für die sie nie qualifiziert waren.
Generative KI ist nicht die Revolution, als die sie verkauft wird
Ich selbst arbeite fast täglich mit generativer KI. Sie erleichtert meine Arbeit. Sie beschleunigt Prozesse. Sie erweitert Möglichkeiten. Aber sie ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was KI wirklich ist. Die großen Brüche passieren in anderen Bereichen. Dort, wo KI Diagnosen stellt, Lieferketten optimiert, Energieverbräuche steuert oder wissenschaftliche Modelle neu denkt. Marketing ist sichtbar. Aber im globalen Kontext ist es eine Randerscheinung.
Was im Marketing relevant bleibt
Alles, was generative KI erzeugt, entsteht im Zusammenspiel mit menschlichen Fähigkeiten. Phantasie. Sprache. Empathie. Urteilsvermögen. Das sind keine romantischen Begriffe. Es sind Kompetenzen. Und genau diese Kompetenzen unterscheiden jemanden, der KI nur bedient, von jemandem, der sie versteht. KI ersetzt kein Talent. Sie entlarvt nur, wer keines hat.
Wir brauchen mehr Haltung
Wir brauchen weniger selbsternannte Experten und mehr Menschen, die verstehen, was KI ist und was sie nicht ist. Wir brauchen weniger triviale Tipps und mehr Ehrlichkeit darüber, wie anspruchsvoll der Umgang mit generativer Technologie eigentlich ist. Und wir brauchen den Mut zu sagen. Ich weiß nicht alles. Ich lerne. Ich beobachte. Ich ordne ein. Denn nur so entsteht eine Haltung, die nicht auf Hype basiert, sondern auf Verstehen.
Silhouetten von Personen an Rednerpulten, eine Figur hat ein leuchtendes Gehirn.
Mut zur Zeit
Am Ende läuft alles auf eine Grundhaltung hinaus. Wir brauchen Mut zum Lernen. Mut, nicht sofort Experte sein zu wollen. Mut, die eigene Rolle zu hinterfragen und zu akzeptieren, dass echte Kompetenz Zeit braucht.