Mein digitales Selbst

Ist LinkedIn das neue Facebook?

LinkedIn ist eine spannende Plattform. Man trifft interessante Menschen, liest interessante Inhalte und stolpert manchmal auch über wahnwitzige Berufsbezeichnung. Ich mag diese Plattform, eigentlich auch deshalb, weil sie allzu private Aspekte einigermaßen ausklammert. Im Gegensatz zu bspw. Facebook habe ich in meiner Bubble eher das Gefühl mit kompetenten und interessierten Menschen zu tun zu haben, die wirklich was zu erzählen haben. Und während ich Facebook mittlerweile wie der Teufel das Weihwasser meide, ist es schön, sich auf einer professionellen Plattform auszutauschen, in der man (zumindest bisher) einen guten Spagat zwischen professionellem Netzwerk und persönlicher Plattform schafft.

Interessant ist aber auch, dass durch technische Erweiterungen wie bspw. die Stories die Grenzen zwischen Privat und Business auch immer mehr verschwimmen. Das ist insofern wichtig und richtig, da in unserer heutigen Arbeitswelt Professionalität anders definiert wird. Konnte man in der Vergangenheit klare Grenzen zwischen Beruf und Privatem ziehen, reicht inzwischen eine einfache Google-Suche, um auf private Accounts von Kollegen und Partnern zu stoßen, die allzu oft sehr viel Persönliches preisgeben. Und das ist die Kernfrage, die sich daraus ergibt: Was bedeutet Professionalität im Kontext digitaler Präsenz?

Was bedeutet professionell eigentlich?

Diese Frage schließt zwei Aspekte ein, zum einen die Frage,

  • was denn Professionalität eigentlich bedeutet und zum anderen
  • inwiefern wir uns unseres digitalen Spiegelbildes bewusst sind

Professionalität

Professionalität bezeichnet im ursprünglichen Sinne die „Eigenschaft/Haltung, die in deutlichem Maße gelassenes und gekonntes (professionelles) Verhalten zeigt, das oftmals auf viel Erfahrung schließen lässt.“* Nichts anderes! Diese Wortbedeutung macht klar, dass sich Professionalität eines Menschen nicht unbedingt auf das Tragen eines Anzuges beschränkt, oder gemäß der schulischen Laufbahn definiert. Man kann auch ein professioneller Maurer sein oder eine professionelle Reinigungsfachkraft. Professionalität leitet sich aus dem Wort „Profession“ ab, dem lateinischen Wort für „öffentliches Bekenntnis, öffentliche Angabe“, also der persönlichen Berufung. Dies wiederum schließt eine gewisse Leidenschaft für seine Tätigkeit mit ein. Und was ist persönlicher als Leidenschaft? Drückt sich in der Leidenschaft nicht das Wesen eines Charakters aus?

Digitalisierung treibt Authentizität

Eine Entwicklung, die ich sehr subjektiv beobachte, ist eben jene, die ich eingangs erwähnt habe: Eine Google-Suche reicht und schon stoße ich auf verschiedenste Inhalte professioneller und persönlicher Natur. Da lese ich bspw. vom Fußballverein, in dem der Herr Mustermann tätig ist und im nächsten Eintrag, dass er CEO der Nevermind GmbH und Co. KG ist. Ich sehe, in welchem Tech-Blog Frau Susi von der Success AG welchen begeisterten Kommentar hinterlassen und welche emotionale Rezension mein Kollege Walter bei amazon verfasst hat. Die Vernetzung der Plattformen und das Zusammentragen digitaler Informationen über uns, bzw. der Kontext, der da geschaffen wird, formt ein Abbild dessen, wer wir wirklich sind. Wegen der Komplexität der vernetzten Informationen, an deren Streuung wir uns teilweise gar nicht erinnern, können wir gar nicht vermeiden, dass wir mehr über uns preis geben, als wir eigentlich möchten. Insofern treibt die Digitalisierung unseres Alltags auch die authentische Rollendarstellung unserer Person. Dem entziehen können wir uns nur durch digitale Abstinenz. Aber wer will und kann das schon?

Profession vs. Privat

Nun stolpere ich ab und an über die Meinung, dass man Persönliches nicht auf LinkedIn zu teilen habe, da dies unprofessionell wirke. Ableitend aus der Definition des Begriffes aber, stelle ich mir die Frage, inwiefern man seinen Beruf und sein persönliches Wesen voneinander abgrenzen kann, ohne unauthentisch zu wirken.  Dabei stelle ich nicht in Frage, dass dies nicht ginge, sondern vielmehr, ob das denn überhaupt notwendig ist. Möchte man einen Menschen nur in einer Rolle erleben, oder möchte man den Menschen in der Gesamtheit kennenlernen? Denn zur Gesamtheit gehört wohl auch der Charakter.

Ist es also erstrebenswert, eine professionelle Rolle zu spielen, die das eigene, persönliche Wesen ausklammert? Ich denke nicht. Schließlich will ich den Menschen kennenlernen, nicht seine Rolle. Natürlich ist das herausfordernd, zumal wir jahrtausendelang konditioniert wurden, uns situationsbedingt in eben jene Rollen zu versetzen. In der Soziologie bezeichnet diese nicht umsonst ein „bestimmtes Verhalten, das in einer zeitlich und örtlich bestimmten Situation erwartet wird.“ Diese Verhaltens- oder Rollenerwartungen richten sich auf einen Menschen in einer ganz bestimmten Position.“ Aber ist das noch zeitgemäß? Sind wir nicht in der Ära der Authentizität, die uns die Freiheit gibt, über eben jene konventionellen Grenzen hinwegzusehen?

Welche Rolle will ich spielen?

Der eigentliche Grund, weshalb ich diese Beobachtung so interessant finde, ist die Erkenntnis, dass wir besonders auf der digitalen Ebene zu jedem Zeitpunkt mehr von uns preisgeben, als wir vielleicht möchten. Wieso dann überhaupt verstellen? Wieso erkennen wir die Unmöglichkeit eines permanenten Verstellens unserer Person nicht an und geben uns so, wie wir eigentlich sind? Authentisch und echt! Professionell, aber auch Privat? Fern einer Rolle, die sowieso neu definiert werden muss? Wieso nicht Persönliches bei LinkedIn teilen, wenn sie eine Relevanz für unsere Profession, aber auch für unseren Alltag im Privaten hat? Letzteres ist sowieso nur einen Fingertip auf die nächste App entfernt…

Das ist ein immens großes Thema. Was meint ihr dazu? Wie verhaltet ihr euch im Netz und im analogen Leben?

*https://www.wortbedeutung.info/Professionalit%C3%A4t/

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